Insbesondere Molaren sind im allgemeinen Gebrauch erhöhten Kräften ausgesetzt. Um auch nach einer endodontischen Therapie langfristig strukturell intakt zu bleiben, bedarf es im besten Fall einer adhäsiv befestigten indirekten Restauration. Dabei wird häufig vernachlässigt, dass Natriumhypochlorit vor allem in Konzentrationen über 2,5 % beim Kontakt mit Dentin bewirkt, dass der adhäsive Verbund zum späteren Restaurationsmaterial negativ beeinflusst werden. Die Studienlage über diese Effekte ist aufgrund unterschiedlicher Versuchsanordnungen sehr heterogen. Die Autoren sind sich jedoch darin einig, dass der Prozess der Dentinadhäsion je nach verwendetem Adhäsivsystem deutlich fehleranfälliger wird. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, diese kompromittierenden Effekte rückgängig zu machen. Anhand des folgenden Fallbeispiels wird ein effektiver Weg gezeigt, wie man diese Fehlerquelle umgeht und zusätzlich die Stärke des adhäsiven Verbundes zur endgültigen Restauration maximiert.
Ein 45-jähriger Patient stellte sich in unserer Praxis mit dem Wunsch vor, den Zahn 26 zu erhalten. Er berichtete, der Zahn sei vor 6 Jahren erstmalig endodontisch therapiert worden. Des Weiteren teilte der Patient mit, er habe seit einigen Monaten gelegentlich leichte Schmerzen an dem Zahn, die spontan auftreten und durch Aufbiss ausgelöst werden können. Radiologisch zeigten sich 3 insuffizient gefüllte Wurzelkanäle sowie apikale Aufhellungen an der mesialen und palatinalen Wurzelspitze. Bei genauer Observation des durch den überweisenden Zahnarzt übermittelten Röntgenbildes zeigte sich außerdem eine ausgedehnte koronale Aufhellung zentral um das ehemalige Pulpenkavum herum.
Der Zahn wies keine pathologischen Sondierungstiefen auf und reagierte – wie zu erwarten – nicht auf die Vitalitätsprobe. Insbesondere beim axialen Perkussionstest berichtete der Patient über eine leichte Schmerzsensation. Die Palpation der umliegenden Gewebe verlief unauffällig. Bei der klinischen Untersuchung des Zahnes fiel vor allem die zentral und mesial gelegene Karies auf.
Nach der Analyse der Anamnese, der klinischen Untersuchung und der Röntgenbefunde ergab sich die Diagnose einer akuten apikalen Parodontitis. Als mögliche Herausforderungen und zu berücksichtigende Faktoren wurden ein bisher nicht vollständig erschlossenes Wurzelkanalsystem sowie die tiefgehende bis in die Furkation reichenden kariöse Zerstörung des Zahnes identifiziert. Der Patient wurde über die möglichen Limitierungen aufgeklärt. Ihm wurde ein Therapievorschlag unterbreitet, der die orthograde Wurzelkanalrevision mit anschließendem adhäsivem post endodontischem Aufbau in einer Sitzung vorsah. Nach Aufklärung über mögliche Risiken der Behandlung stimmte der Patient der Therapie zu.
Nach lokaler Anästhesie und Quadrantenisolierung mittels Kofferdam, galt es zunächst, die Karies vollständig zu entfernen. Zu diesem Zweck wurde das demineralisierte Dentin mit Kariesdetektor angefärbt und mithilfe des Operationsmikroskopes und keramischer Rosenbohrer entfernt. Nach Fesstellung der vollständigen Exkavation wurde der subgingival liegende mesiale Kavitätenrand im Zuge eines präendodontischen Aufbaus angehoben. Gleichzeitig wurde das frisch freigelegte Dentin unter Anwendung eines Goldstandard Adhäsivsystems und einer dünnen Schicht eines transluzenten Flows versiegelt. Diesen Schritt vor der endodontischen Therapie durchzuführen, hat zwei entscheidende Vorteile: Die geringe Kompositmasse über der Hybridschicht erlaubt dieser, sich nach initialer Polymerisation ohne den Einfluss von großer Schrumpfung weiterzuentwickeln, wodurch höhere Haftwerte erzielt werden als bei der verzögerten Adhäsivanwendung. Außerdem wird das exponierte Dentin vor der Kompromittierung durch Natriumhypochlorit geschützt, sodass ansonsten auftretende Effekte, die einen negativen Einfluss auf die Dentinadhäsion haben, eliminiert werden.
Im nächsten Schritt wurden die Kanaleingänge wieder freigelegt und der zweite mesiobukkale Kanal gesucht. Auch hier ist ein minimalinvasives Vorgehen für den Erhalt der Stabilität des Zahnes von entscheidender Bedeutung. Die Guttapercha wurde mit der reziproken Feilen entfernt. Die weitere Kanalpräparation erfolgte nach manueller Gleitpfadpräparation durch Feilen des FQ-Systems bis zur ISO Größe 35, da diese Feilen aufgrund ihrer Flexibilität und ihres geringen Tapers insbesondere das für die Stabilität so wichtige perizervikale Dentin schonen. Nach abgeschlossener Präparation erfolgte eine gründliche Desinfektion mit 5,25 % NaOCl und 17 % EDTA. Zusätzlich wurden die Spülungen mittels Schall und Ultraschall aktiviert. Die Wurzelfüllung erfolgte mit AH+ (Komet, 9978.000) und Guttapercha mittels warm vertikaler Kondensation. Nachdem der Zahn sandgestrahlt wurde, erfolgte der post endodontische Aufbau mit einem dualhärtenden Komposit. Der Patient wurde mit der Bitte um eine zeitnahe indirekte prothetische Versorgung an den behandelnden Zahnarzt zurücküberwiesen.
Die sofortige Versiegelung des Dentins hat gerade bei ausgeprägter Zerstörung des Zahnes Vorteile gegenüber der verzögerten Anwendung des Adhäsivsystems. Der adhäsive Verbund wird signifikant verbessert und spätere invasive Schritte für die Anfrischung des Dentins aus dem Behandlungsablauf eliminiert. Entscheidende Faktoren für die erfolgreiche Umsetzung dieser Technik sind eine suffiziente Trockenlegung und die Anwendung von flexiblen Instrumenten, wodurch die minimalinvasive Fortsetzung der Therapie in diesem Sinne gewährleistet werden kann.